Sancocho-Lab Kolumbien


So fing alles an

Die Projektidee von Nikolaus Wyss entstand unter dem Eindruck der beängstigenden Folgen der Covid-19-Pandemie in den Jahren 2020/2021, als

wegen der verordneten Lockdowns in Kolumbien plötzlich viele Menschen arbeitslos und obdachlos wurden, weil sie die anfallenden täglichen Lebenskosten nicht mehr begleichen konnten. Dies betraf vor allem Menschen, die ihr Geld im informellen Sektor verdienen und in sehr ärmlichen Verhältnissen und in vulnerablen Quartieren wohnen. Insbesondere in den grossen Städten herrschte zu dieser Zeit auch Hunger.

Einwohner:Innen signalisierten ihre Not, indem sie mit roten Tüchern an ihren Behausungen auf sich aufmerksam zu machen versuchten.

Nikolaus Wyss wollte zur Linderung der Not auch einen Beitrag leisten und entschloss sich, eine Auswahl seiner Blog-Texte unter dem Titel «Auf dem Amakong»[link einfügen] als Büchlein zu veröffentlichen und das damit eingenommene Geld einem Projekt zur Verfügung zu stellen.

 

Inzwischen hat sich die Pandemie-Lage etwas entspannt. Geblieben aber sind grosse Armut und pandemischer Hunger. Wyss hat sich daraufhin entschlossen, mit seinem literarisch erwirtschafteten Geld ein eigenes Projekt anzustossen: das Sancocho-Lab.

Der Begriff «Sancocho» steht für eine nahrhafte, reichhaltige Suppe aus Gemüse, Yucca, Kartoffeln, Mais, Suppenhuhn oder Fleisch und Koriander. Sie gehört zu den Nationalspeisen Kolumbiens. «Lab» wiederum weist auf die Versuchsanordnung hin, nämlich Nahrung mit Weiterbildung und Berufsbefähigung zu verbinden: diejenigen, welche die Suppe zubereiten und verteilen, sollen theoretische und praktische Unterstützung erhalten, um ein eigenes, existenzsicherndes Projekt für ihr berufliches Fortkommen zu realisieren.

 

Analyse, Idee und Vision

Es ist leider eine Tatsache, dass eine gute Berufs- und Universitätsbildung in Kolumbien nicht für ausreichend berufliche Chancen und Qualifikationen steht. Und noch schlechter steht es um denjenigen, die sich eine formale Ausbildung gar nicht leisten können. Eines der grossen Hindernisse, im Berufsleben überhaupt Fuss zu fassen, ist der fehlende Praxisbezug in der Ausbildung. Und wer sich schliesslich doch noch erfolgreich um einen Job beworben hat, ist ihn oft schon bald wieder los.

Denn die rechtliche Stellung von Arbeitnehmenden ist im Vergleich zu den Rechten von Arbeitgebern sehr schlecht. Es gibt kaum Kündigungsschutz. Zudem sind die meisten Arbeitsverträge befristet. Als Massstab für viele Arbeitsverhältnisse gilt der jährlich gesetzlich festgelegte Minimallohn. Im Jahre 2023 beträgt dieser 1.160.000 Pesos Colombianos (ca. 230.- Schweizerfranken) pro Monat.

 

Daraus folgt, dass manche gut beraten sind, nicht darauf zu warten, bis sie irgendwo angestellt werden, sondern versuchen, als Selbständigerwerbende eine eigene, unabhängige Laufbahn einzuschlagen. Die Idee von Sancocho-Lab besteht darin, den Praxisbezug mit der Befähigung zur beruflichen Eigenständigkeit zu verknüpfen.

Der Praxisbezug besteht bei Sancocho-Lab darin, dass eine Anzahl Jugendlicher in regelmässigen Abständen und zu besonderen Gelegenheiten für

vulnerable Bevölkerungsteile eine nahrhafte Suppe zubereitet, im Schnitt 350 Portionen pro Mal. Darin eingeschlossen.

 

- Organisation des Events,

- Einholen von Bewilligungen,

- Erstellung des Budgets,

- Beschaffung der Ingredienzen,

 

- Logistik, Zubereitung und Verteilung.

 

Gleichzeitig fördert Sancocho-Lab mit Kursen, Interventionen und individueller Betreuung und Beratung durch erfahrene Fachleute die Entwicklung und Realisierung eines eigenen Projekts, welches die Chance beinhaltet, als Selbständigerwerbende/r eine berufliche Existenz aufzubauen.

 

Bericht der Pilotphase und Lehren daraus

Im Mai 2022 formierte sich eine Junta (ein Führungsgremium) aus fünf ausgewählten Fachkräften mit dem Auftrag, einen Pilotversuch des Vorhabens durchzuführen. Zur Realisierung standen die durch den Verkauf des Büchleins «Auf dem Amakong» generierten Fr. 15.000.- zur Verfügung. Ziel war, zu verschiedenen Gelegenheit insgesamt 10.000 Portionen Suppe zu schöpfen und sechs Jugendlichen Gelegenheit zu geben, ein eigenes Projekt zu entwickeln und zu realisieren. Beide Ziele wurden erreicht.

 Als Partnerinstitutionen standen während der Pilotphase zwei Stiftungen bei:

- die Fundación Tata in Sibaté [link einfügen], einem Vorort von Bogotá, mit ihrem Know-how. Sie realisiert Programme und Stützungskurse für in Not geratene Personen und begleitet Menschen in Krisensituationen;

- die Stiftung CasaB [link einfügen] verfügt über ein einfaches Gemeinschaftszentrum im Quartier Belén, Bogotá [link einfügen], das von Frauen betrieben wird, die sich unter dem Namen Aisha zu einer Aktionsgruppe zusammengeschlossen hat. Sancocho-Lab half überdies mit, in der CasaB die Küchen-Infrastruktur auszubauen, und erkaufte sich so freie Küchenbenützung für die Zubereitung der Suppen.

 

Einige Lehren aus dem Pilot-Projekt:

- Führung straffen und Pflichtenhefte für die Junta erstellen;

- Prozesse für die Rekrutierung der beteiligten Jugendlichen, Geldflüsse und Suppenevents (Beschaffung, Realisierung) neu formulieren;

- Gruppe der Jugendlichen vergrössern, was das Anbieten von Kursen ökonomischer macht;

- Ausbau von Kooperationen mit verschiedenen Organisationen anstreben.

- Steuerbefreiung für Spenden anstreben;

- Schwerpunkte des Budgets aufgrund gemachter Erfahrungen anpassen.

 

So soll es weitergehen

Die angestrebten Mittel von anfänglich 20.000.-, mittelfristig aber von mindestens 60.000.- sollen den Betrieb von Sancocho-Lab für 2-3 Jahre sicherstellen:

 

- Damit könnten insgesamt 50.000 nahrhafte Suppenportionen zubereitet und ausgeschenkt werden;

- Insgesamt 45-50 Jugendliche würden Gelegenheit bekommen, ein persönliches, existenzsicherndes Projekt zu entwickeln und zu realisieren;

- Sobald die Finanzierung gesichert ist, wird sich die Junta, das Führungsgremium, neu konstituieren und mit der Planungsarbeit beginnen.

Ziel ist, im Oktober 2023 mit dem ersten Durchgang für mindestens 15 Jugendliche und dem Ausschank von mindestens 15.000 Portionen Suppe zu beginnen. Im Sommer 2024 soll der zweite Durchgang mit ähnlichen Eckwerten starten, im Frühling 2025 der dritte Durchgang.